Leitgedanke für Gefängnisbauten im 18. Jahrhundert
Gefängnisse sollen dunkle und unheimliche Behausungen der Schuld und Erbärmlichkeit sein. Dem Gefangenen soll nur so viel Licht zugebilligt werden, als er braucht, um im Neuen Testament zu lesen. Schweigend soll er seinen Gang im Hof verbringen und schweigend in der Zelle zur Umkehr kommen. (William Penn,1644-1718, Quäker).
Die Anfänge 1853
Die neue "Isolir-Strafanstalt" mit 456 Einzel- und 80 Schlafzellen ist fertiggestellt.
Das äußere Erscheinungsbild des Neubaus an der Gartenstraße spiegelt die ernsten und festen Grundsätze Penns wider. Bedrohlich sollen Torgebäude, die turmartigen Wohnhäuser, die Zinnenbekrönungen der einzelnen Gebäudeteile und die hohe Mauer wirken. Die kleinen und großen Rundbogenfenster, der schlanke Turm und nicht zuletzt der zentrale Kirchraum stehen baulich für die angestrebte Besserung des Gefangenen, der „durch Buße für seine Missetat vor Gott wieder zu ewiger Ehre und zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes gelangen kann“.
Im Schullokal und in der Kirche ist die Gemeinschaft gestattet. Während der Arbeitszeit sind die Zellen geöffnet, während der halbstündigen täglichen Bewegung im Freien ist aber jede Kontaktaufnahme verboten. Man hat sich in rascher Gangart mit fünf Schritten Abstand zu bewegen und muss bei Zuwiderhandeln mit körperlicher Züchtigung bis zu 30 Hieben rechnen.
Aus- und Umbau 1859 bis1918
1859 wird der Gefängnisfriedhof für in der Haft gestorbene oder hingerichtete Gefangene angelegt. 1861 ist die Pflege- und Krankenabteilung beziehbar.
Ab 1893 wird die Königliche Strafanstalt Münster im Inneren umgebaut. Lagerhäuser und Wirtschaftsgebäude, ein Küchengebäude und eine Bäckerei kommen hinzu, die Flügel werden verlängert, die Kirche wird erweitert. Das mehrstöckige Arbeitshaus wird zum Lazarett und zur psychiatrischen Abteilung, die allgemein "Irrenabteilung" genannt wird. Das Wirtschaftsgebäude ist 1899 fertiggestellt. An den Haftbedingungen ändert sich nichts.
Weimarer Neuorientierung 1918 bis 1933
In der Gemeinsamen Haft ist die Unterhaltung zulässig, sofern sie Ordnung und Arbeit nicht stört; die Strafe der körperlichen Züchtigung darf nicht mehr verhängt werden. Das neue Vollzugsziel lautet: Die Gefangenen sollen an Ordnung und Arbeit gewöhnt und sittlich gefestigt werden, um Rückfälle zu vermeiden. Sie sind ernst, gerecht und menschlich zu behandeln, das Ehrgefühl ist zu schonen und zu stärken. Schulische Bildung nimmt dabei einen wichtigen Stellenwert ein. Die schlechte wirtschaftliche Lage und der sinkende Lebensstandard vieler Menschen ab Mitte der zwanziger Jahre verstärkt die Ressentiments gegenüber Gefangenen: „Der unbescholtene Bürger ist schlechter dran als die Verbrecher!“ Stimmen werden lauter, die eine Rückkehr zum autoritären Vergeltungsvollzug fordern.
Die Zeit des Nationalsozialismus 1933 bis 1945
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten werden die Reformen der Vorjahre als dilettantischer und lebensferner Umgang mit Rechtsbrechern abqualifiziert. Das Zuchthaus Münster ist in der Hauptsache eine Anstalt für Vorbestrafte und der größere Teil der Insassen wird als nicht mehr „erziehungsfähig“ eingestuft. In der Anstalt wird eine „kriminalbiologische Forschungsstelle“ eingerichtet. Die Studenten sollen lernen, ein Urteil über den "Wert oder Unwert des einzelnen für Volk und Staat, für die Gesellschaft und für die Rasse" zu fällen. Die Zahl der Gefangenen steigt sprunghaft an. 1934 ist das Zuchthaus Münster bei einer Belegungsfähigkeit von 605 Gefangenen mit 872 Personen belegt. 1938 sind es rund 950 und zu Beginn des 2. Weltkrieges ca. 1100. Die Anstalt wird auf den „totalen Kriegseinsatz“ ausgerichtet. Fast jeder Gefangene ist mit kriegswirtschaftlich wichtigen Arbeiten befasst. Eine Verordnung aus dem Jahre 1940 bestimmt, dass die in die Zeit des Kriegszustandes fallende Vollzugszeit nicht als Strafzeit angerechnet wird. Bei Luftangriffen kommen Gefangene und Bedienstete zu Tode. Der B-Flügel, die Kirche mit Teilen der Verwaltung und das Lazarettgebäude werden zerstört. Im A-Flügel gibt es Hafträume für die „Sonderbehandlung“ durch SS und Gestapo, die ohne Mitwirkungen von Justizbediensteten auch Erschießungen auf dem Anstaltsgelände durchführen. Der standesamtliche Eintrag „Gestorben... in Münster, Gartenstraße 26“ lässt Böses ahnen. Rechtskräftige Todesurteile werden dagegen im Landgerichtsgefängnis Münster oder im Gefängnis Dortmund vollstreckt.
Ruhe und Ordnung 1945 bis 1969
Unmittelbar nach Kriegsende wird die Anstalt wieder belegt. Die Kriegszerstörungen werden behoben, der B-Flügel wird neu errichtet. Eine Atmosphäre von Disziplin, Sicherheit und Ordnung prägt auch diese Zeit. Dem entsprechen ein streng hierarchisch und autoritär ausgerichteter Aufsichtsdienst und eine Kommunikation, die weiter auf Befehl und Gehorsam reduziert ist. Es gilt die Regel, dass zu Gefängnis Verurteilte zunächst drei Monate, zu Zuchthaus Verurteilte sechs Monate Einzelhaft erhalten und damit keine Gelegenheit finden sollen, mit anderen Gefangenen zusammen zu kommen.
Aufbruch und Konsolidierung 1970 bis 1996
1971 wird das Pädagogische Zentrum in der JVA Münster eröffnet. Strafgefangene des Landes Nordrhein-Westfalen können den Hauptschul- oder Realschulabschluss erwerben. Ein Lehrgang, der zum Vollabitur führt, läuft seit September 2002. Über 1500 Strafgefangene erreichen dieses Ziel, bevor das Pädagogische Zentrum als Konsequenz der statisch bedingten Teilevakuierung der Anstalt im Juli 2016 an die JVA Werl verlagert wird. 1975 wird das neue Wirtschaftsgebäude eingeweiht. Im selben Jahr nimmt die Behandlungsabteilung für Drogenabhängige mit 13 Plätzen ihre Arbeit auf. Hier können Suchtmittelabhängige an einer gestuften Langzeittherapie über 18 bis 24 Monate teilnehmen. Mehrere hundert Gefangene durchlaufen die Behandlung, bevor die Abteilung im Zuge der Teilevakuierung der Anstalt im Juli 2016 ersatzlos aufgelöst wird. 1977 tritt erstmals ein Strafvollzugsgesetz in Kraft und begünstigt die Entwicklung des Behandlungsvollzuges. Zentrale Vollzugsziele sind nun die „Wiedereingliederung der Inhaftierten und die Sicherheit der Allgemeinheit“. 1979 wird der „Aufschluss“ eingeführt: In den Strafhaftabteilungen des Normalvollzuges sind jeden Tag, auf einer Abteilung während der Freizeit, die Haftraumtüren für ca. 2 Stunden geöffnet, so dass sich die Inhaftierten gegenseitig besuchen und ihre Freizeit selbst gestalten können. Hinzu kommt das Betreuersystem. Jedem Inhaftierten ist ein(e) Bedienstete(r) als Hauptansprechpartner zur Seite gestellt, die/der alle vollzuglichen Entscheidungen federführend vorbereitet und umsetzt. Außerdem wird die Anstalt in relativ selbstständige Vollzugseinheiten gegliedert. Ein auf Kooperation ausgerichtetes Konferenzsystem soll partnerschaftliche Kommunikation und einen guten Informationsfluss ermöglichen. Neben einer Vielfalt von Behandlungsangeboten wie Selbsthilfe-, Trainings- und Gesprächsgruppen sowie gezielter professioneller Einzelfallhilfe sind auch Vollzugslockerungen und Hafturlaub inzwischen zentrale Bestandteile der Wiedereingliederungsbemühungen für die überwiegend erstinhaftierten Strafgefangenen in der JVA Münster. In vielen Fällen wird nach gründlicher Prüfung Ausgang oder Hafturlaub gewährt. Die Versagensquote liegt deutlich unter 1 %. 1996 nimmt die Förderwerkstatt ihre Arbeit auf. Hier werden aufgrund körperlicher oder psychischer Einschränkungen besonders belastete und leistungseingeschränkte Strafgefangene behutsam an Arbeitsprozesse herangeführt. Mit Ende der neunziger Jahre entsteht eine Kooperation zwischen Anstalt und dem Institut für Kriminologie an der Universität Münster.
Zeiten der Neuorientierung ab 1997
Die Jahre sind auch an der JVA Münster nicht spurlos vorbei gegangen. Die Bausubstanz ist an vielen Stellen verbraucht. Renovierungen und ständige Reparaturen prägen und belasten den Alltag von Inhaftierten und Bediensteten. Die Situation führt zu umfangreichen Sanierungsplanungen mit Erweiterung der Anstalt am vorhandenen Standort. Die Vollzugsatmosphäre hat sich mittlerweile vollkommen gewandelt: Kommunikation und Kontakt mit den Inhaftierten, Partnerschaft und Verantwortungsübertragung zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestimmen die Arbeit. Die Aufbruchsstimmung ab Mitte der siebziger Jahre aber ist inzwischen einem pragmatischen Denk- und Behandlungsansatz gewichen, der sich am Machbaren und auch an den Grenzen der Behandlung orientiert. Angesichts inzwischen sehr knapper und manchmal nicht ausreichender personeller und finanzieller Möglichkeiten soll Bewährtes bewahrt werden. Gleichwohl stehen alle Aufgaben und Arbeitsabläufe auf dem Prüfstand, um Nutzen und Wirksamkeit zu prüfen. Insgesamt arbeiten in der JVA Münster zu dem Zeitpunkt 275 Bedienstete verschiedener Fachrichtungen an einem modernen Strafvollzug, um dem gesetzlichen und gesellschaftlichen Auftrag möglichst optimal gerecht zu werden.
„Niemand ist gerne im Gefängnis und fühlt sich wohl. Das Besondere an Münster sind die Mitarbeiter. Hier werde ich ernst genommen und man hilft mir weiter. Münster ist ein alter Bau mit jungem Herzen.“ (Volker M., Inhaftierter, 2003)
150 Jahre Justizvollzugsanstalt in Münster 2003
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt Münster blicken 2003 auf die 150jährige Geschichte der ältesten Anstalt in Nordrhein-Westfalen zurück. Aus diesem Anlass findet am 09. Juli 2003 ein Festakt statt. Die Anstaltsleiterin Maria Look begrüßt neben dem Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Gerhards, den Präsidenten des Landesjustizvollzugsamtes, Klaus Hübner, und den Oberbürgermeister der Stadt Münster, Dr. Berthold Tillmann. Darüber hinaus sind eine Vielzahl geladener Gäste aus Justiz, Polizei, Kirchen, Behörden und Vertreter aus der Politik anwesend. An der Feierstunde nehmen auch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Anstalt teil.
Aktuelle Entwicklungen
Von den Sanierungsplänen am Standort Gartenstraße hat man mittlerweile Abstand genommen. 2012 entscheidet die damalige Landesregierung, dass die Altanstalt durch einen modernen Neubau ersetzt werden soll. Dessen Realisierung auf einem zunächst dafür vorgesehenen Grundstück in Münster Handorf scheitert jedoch, für alle Beteiligten unvorhersehbar, am Veto des Grundstückseigentümers. Die Neubauplanungen werden dadurch erheblich verzögert. Ein neues Grundstück findet sich nach langen Bemühungen erst Jahre später. In der Zwischenzeit haben statische Probleme des zentralen Sternbaus dazu geführt, dass die Anstalt am 06. und 07. Juli 2016 fast komplett evakuiert wird. Lediglich ein Nebengebäude wird zunächst mit 34 Inhaftierten belegt. Daneben wird die Ende 2015 geschlossene Zweiganstalt Coesfeld binnen weniger Stunden reaktiviert und mit weiteren 44 Inhaftierten wieder in Betrieb genommen. Nach intensiven Diskussionen aller Beteiligten, umfangreichen Prüfungen und Umbaumaßnahmen kann am 02.01.2018 der im Krieg zerstörte und mit einer statisch unbedenklichen Dachkonstruktion ausgestattete B-Flügel der Hauptanstalt wieder mit Gefangenen belegt werden. Hier stehen 139 Haftplätze für Untersuchungsgefangene zur Verfügung. Das ehemalige Lazarettgebäude an der Peripherie der Anlage wird mittlerweile mit 76 Strafgefangenen belegt. Die großen Arbeitsbetriebe der JVA Münster werden über den gesamten Zeitraum weiter betrieben. Diese Übergangslösung ermöglicht seit Jahresbeginn 2018 die Unterbringung von rund 260 Gefangenen an den Standorten Münster und Coesfeld. Der weitaus größte Teil des zentralen Sternbaus der Anstalt bleibt jedoch für die Unterbringung von Gefangenen gesperrt.
Ausblick
Die Zukunft der Justizvollzugsanstalt Münster liegt in der Realisierung eines an den Standards für einen modernen Behandlungsvollzug ausgerichteten Neubauprojektes am Rande der Stadt. Die vorgesehene Belegungskapazität beträgt 640 Haftplätze. Neben den Planungen zum Neubau tritt das Thema „Personalgewinnung und -ausbildung“ schon heute zunehmend in den Vordergrund. Die „Altanstalt“ und ihr Personal richten sich auf den in einigen Jahren zu erwartenden Umzug ein, mit dem der Wandel von Nordrhein-Westfalens ältester zur modernsten Justizvollzugsanstalt des Landes verbunden sein wird.